Von der Unruh’ und der Weisheit

 

Wie hab ich meine Kraft missbraucht

und weggetrunken, weggeraucht

und weggegessen, fortbewegt,

was immer sich im Innern regt?

Den Kopf beladen, rumgedacht,

mit Unterhaltung weggemacht

und mit Beschäftigung verdeckt,

was Stille an Gefühlen weckt?

Den Geist betäubt, das Herz verdrängt

und in der Tiefe eingeengt?

Die eig’ne Taubheit zelebriert

und so die Seele ignoriert?

 

Was ist’s, wohin die Seele führt,

die ewiglich so abgeschnürt?

Was ist’s nur, was das Herz wohl braucht,

nachdem es stetig zugestaucht?

 

Den äuß’ren Lärm ge’n Stille tauschen

und in das inn’re Lärmen lauschen,

das ist es wohl, das Frieden bringt,

denn nur Gehörtes hier verklingt.

D’rum will ich meine Unruh’n nehmen,

verdrängte Trauer, Zorn und Sehnen

und tiefe Schuld und Furcht und Scham,

das alles breche sich nun Bahn.

Einjede Form von inn’rem Leiden

will ich nicht noch länger meiden

und lasse sie ans Tageslicht,

und dennoch folge ich ihr nicht.

Was immer die Gefühle weisen,

die da schreiend nun entgleisen,

sei mir gewahr doch nicht Gebot.

Nichts Weises spricht aus lauter Not.

D’rum lasse ich all ihre Fragen,

wenngleich sie mich auch schmerzhaft plagen,

wohl gänzlich ohne Antwort zieh’n,

solange diese wär’ geschrie’n.

 

Doch wenn der Lärm genug beehrt

und inn’rer Gleichklang wiederkehrt,

in dem noch Leid und Leere schwingen

jedoch nicht mehr um Antwort ringen,

dann weiß ich: ich bin nah bei mir

und steh’ in meiner Seelentür.

Verweil’ ich hier, gewahr, verbunden,

ist manche Antwort bald gefunden.

Denn inn’re Weisheit findet sich

im Spüren, still und inniglich.

Sie stellt sich nie auf lauten Thron.

Die Seele spricht im Flüsterton.

Und zukünftig will ich verzichten

auf ständiges Gefühlsvernichten

und selbsterspürend täglich preisen

jenen innerlichen Weisen,

der tief in meiner Unruh’ lebt,

wenn sie gehört und ausgebebt.

 

2.1.2

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